and Drei
Prinz
Kuramochi war ein kühl berechnender Mann.
Er bat am Hofe um Urlaub.
„Ich
möchte in den heißen Quellen von Tsukushi baden',,
sagte
er, und zugleich ließ er
Kaguya
Hime
ausrichten:
„Ich
breche auf, um den Juwelenzweig zu holen. ,,
Sodann
verließ er mit großem Gefolge die Hauptstadt und
begab
sich nach dem Hafen Naniwa.
Der
Prinz sprach zu sich selbst „Heimlich, heimlich!"
und
wählte aus der großen Schar der Begleiter nur seine
engsten
Vertrauten aus.
Alle
anderen, die ihm zum Hafen gefolgt waren, sahen ihn in
See
stechen und kehrten dann heim. Auf diese Weise
versetzte
der Prinz jedermann in den Glauben,
er
sei wirklich abgefahren.
Aber
nach kaum drei Tagen kehrte er insgeheim in einem
Ruderboot
zurück.
Inzwischen
waren nach klugen Anweisungen die sechs berühmtesten Goldschmiede
der
damaligen Zeit versammelt und in einem Haus untergebracht worden,
das
an einer schwer zugänglichen Stelle errichtet worden war.
Dieses
Haus war ausgerüstet mit einem dreifachen Schmelzofen.
Dorthin
verfügte sich auch der Prinz. Er gab alle Einkünfte aus den sechzehn
Besitzungen,
denen er vorstand, dafür aus, den
Juwelenzweig
anfertigen zu lassen.
Dieser
wurde so zusammengefügt, daß er genau Kaguya Himes
Beschreibung
entsprach.
Nach
einem ausgeklügelten Plan wurde er dann heimlich nach
Naniwa
gebracht.
Der
Prinz ließ nun seinem eigenen Palast die Botschaft zugehen:
“Ich
komme gerade mit dem Schiff an.“
Viele
strömten zu seinem Empfang.
Der
Prinz heuchelte große Erschöpfung.
Er
legte den Zweig in einen länglichen, mit einem Tuch
bedeckten
Kasten und brachte ihn zur zur Hauptstadt.
Schnell
breitete sich die Nachricht aus:
“Prinz
Kuramoschi
hat eine
Udubara
Blüte mitgebracht.“
Als
Kaguya
Hime
dies vernahm, krampfte sich ihr
Herz
zusammen, denn sie befürchtete, dem Prinzen zu unterliegen.
Da
klopfte auch schon ein Bote ans Tor und kündigte an:
„Prinz
Kuramotschi kommt. Er ist noch in Reisekleidung.“
Der
alte Mann ging ihm
entgegen. Der Prinz sagte:
„Unter
Lebensgefahr habe ich diesenZweig beschafft.
Bitte lege ihn Kakuya
Hime
vor.
„Der
alte Mann nahm den Zweig und trug ihn ins Haus.
Ein
Brief war daran befestigt:
Hätte
ich auch mein Leben dabei verloren
nie
wäre ich zurückgekehrt
ohne
den Juwelenzweig
gepflückt zu haben.
Während
noch Kakuya
Hime
dieses Gedicht ohne
rechte
Anteilnahme las, kam der alte Mann in ihr Zimmer
gelaufen
und sagte:
„Der
Prinz hat vom Berg Pheng Lai genau den Juwelenzweig
gebracht,
den du ihm beschrieben hast, eindeutig.
Was
kannst du ihm jetzt entgegenhalten?
Er
hat seine Reisekleider an und ist nicht einmal in seinem
Palast
gewesen. Heirate ihn sogleich, gib dich ihm hin!“
Aber
Kukya
Hime
stützte wortlos das Gesicht in die Hände
und
versank in tief traurige Gedanken.
Mit
den Worten „Nun hast du keinen Grund mehr, dich zu
verweigern“
stieg der Prinz die Stufen zum Eingang hinauf.
Der
alte Mann bemerkte zufällig:
„Es
ist ein Juwelenzweig,
wie
man ihn in diesem Lande noch nie gesehen hat.
Wie
kann man sich da sperren?
Und
übrigens: der Prinz macht einen guten Eindruck.“
Kakuay
Hime
antwortete:
„Nur
um nicht euren Wunsch dauernd widersprechen zu müssen,
habe
ich den Freiern derartige Aufgaben gestellt.“
Das
sagte sie aus Unmut darüber, daß der Prinz sie in eine Lage
gebracht
hatte, die sie hatte vermeiden wollen.
Der
alte Mann aber bereitete
schon das Hochzeitsgemach.
„Wo
wächst ein solcher Baum“,
fragte
der alte Mann den Prinzen.
Der
Zweig ist so eigentümlich, so schön und so eindrucksvoll.
Als
Antwort erzählte der Prinz:
Etwa
am zehnten Tag des zweiten Monats im vorletzten
Jahre
setzte ich Segel in Naniwa und fuhr hinaus auf das weite Meer.
Ich
wußte nicht, wohin, doch ich war erfüllt von dem Gefühl:
das
Leben ist sinnlos, wenn ich das, was ich ersehne,
nicht
erlangen kann.
So
überließ ich mein Schiff den Launen des Windes.
Selbst
wenn ich mein Leben verlöre, was tut's?
Solange
ich lebe, werde ich auf dem Meer herumirren - und
vielleicht
finde ich doch noch den Berg, den man
Pheng
Lai nennt."
So
segelten wir planlos durch die Wogen.
Kaum
hatten wir auf unserer Irrfahrt die Innere See hinter
uns
gelassen, da wurden wir fast von den schäumenden
Wellen
auf den Grund des Meeres gerissen.
Dann
wieder trieben uns Stürme an unbekannte Ufer, wo
Wesen
wie riesenhafte Dämonen hervorkamen um uns zu töten.
Bald
wußten wir nicht mehr, woher wir kamen, noch, wohin
wir
steuerten, und so verloren wir uns in der Weite des Ozeans.
Manchmal
mußten wir uns, da unsere Vorräte erschöpft waren,
von
Pflanzenwurzeln ernähren.
Manchmal
konnten wir unser Leben nur dadurch erhalten,
daß
wir aufgesammelte Muscheln aßen. Einmal tauchten
Ungeheuer
auf, so fürchterlich, daß man sie nicht
beschreiben
kann, um uns zu zerreißen. Unter dem endlosen
Himmel
unserer Reise, an Orten, wo niemand uns helfen konnte,
befielen
uns die verschiedensten Krankheiten.
Da
wir keine Vorstellung hatten, wohin wir steuern sollten,
ließen
wir unser Boot im Meer treiben.
Am
fünfhundertsten Tag tauchte zur Stunde des Drachens ganz
in
der Ferne verschwommen ein Berg auf.
Alle
an Bord strengten sich an, ihn zu sehen.
Der
Berg erhob sich riesig hoch über den Horizont –
ein
gewaltiger und herrlicher Anblick.
Es
mußte, so schoß es mir durch den Kopf der Berg sein,
den
ich suchte.
Doch
ich fühlte mich beklommen. Darum gab ich Befehl,
die
Insel zu umrudern, und beobachte sie einige Tage lang.
Da
trat aus den Bergen
eine Frau
hervor – wie eine
Himmelsfee
gekleidet.
Sie
ging mit einem silbernen Becher Wasser schöpfen.
Als
ich sie sah, verließ ich das Schiff und fragte sie:
“Wie
lautet der Name dieses Berges?“
Die
Frau antwortete:
„Das
ist der Berg Pheng Lai.“
Als
ich dies vernahm, durchströmte mich endlose Freude.
Ich
fragte die Frau weiter:
„Wer
bist du, die zu mir spricht?“
Sie
antwortete:
„Mein
Name ist Ukanruri“ – und damit verschwand sie
plötzlich
wieder hinter dem Berge.
Der
Berg schien unbesteigbar. An seinen Hängen blühen
Bäume,
wie es sie in der ganzen Welt nicht nochmals gibt.
Goldene,
silberne und tiefblaue Sturzbäche sprudeln den
Berg
hinab.
Brücken
aus Edelsteinen, in allen Farben schillernd,
überspannen
sie.
Dort
wachsen auch jene glitzernden
Bäume.
Den
Zweig den ich hier bringe, ist recht bescheiden, doch da er
genau
der Beschreibung entsprach, die ihr mir gegeben
hattet,
habe ich ihn gepflückt und mitgebracht.
Der
Berg Pheng Lai ist eine unendliche Augenweide.
Aber
obwohl es nichts Schöneres auf der Welt gibt, füllte mein
Herz
sich von neuem mit Unruhe,
sobald
ich den Zweig gebrochen
hatte.
Ich
begab mich wieder an Bord des Schiffes, und ein
günstiger
Wind brachte uns in wenig mehr als vierhundert
Tagen
hierher zurück.
Dank
Buddhas allmächtiger Hilfe konnten wir gestern glücklich
aus
Naniwa in die Hauptstadt zurückkehren.
Ohne
meine mit Salzwasser getränkten Kleider abzulegen,
bin
ich sofort hierher geeilt.
So
sprach der Prinz, und der alte Mann war dermaßen bewegt,
daß
er ein Gedicht verfaßte:
Lange
schon sammeln die Bambussammler das Bambusholz
doch hat man je so Aufregendes vernommen nein noch nie.
Der
Prinz antwortete:
„Mein
Herz, das so lange Tage gebangt,
hat heute seinen Frieden wieder gefunden.“
Und er schrieb dazu die Verse:
Heute
da die Tränen versiegt
und
die Kleider getrocknet sind
werden
die tausend Qualen
auch
bald vergessen sein.
In
diesem Augenblick erschien im Garten eine Gruppe von sechs
Männern.
Einer trug
einen
gegabelten Zweig, an dem ein Brief steckte.
Er
sagte:
„Ich,
Ayabe no Uchimaro, Goldschmied im Dienste
des
Hofes, möchte folgendes Anliegen vorbringen:
Die
Herstellung eines Juwelenzweiges, deren wir uns
untertänigst
befleißigt und um deretwillen wir karg gelebt
und
über tausend Tage lang unsere Arbeitskraft
darangegeben
haben, war bestimmt keine Kleinigkeit.
Dennoch
haben wir bis heute keinen Lohn empfangen.
Wir
verlangen unseren Lohn, damit wir auch unsere Gesellen bezahlen können.“
Mit
diesen Worten übergab er den Brief dem Prinzen.
Der
alte Bambussammler neigte
verwundert den
Kopf
und fragte:
„Was
soll das bedeuten, was dieser Handwerker sagt?“
Der
Prinz jedoch fühlte, wie sich seine Leber verkrampfte,
und er verlor gänzlich die Fassung.
Da
sagte Kaguya
Hime,
die alles mitangehört hatte:
„Reicht
mir den Brief!“ Und sie las:
„Seine
Hoheit, der Prinz, hat sich höchst persönlich zusammen
mit
uns einfachen Handwerkern tausend Tage lang an einem
geheimen
Ort aufgehalten.
Er
hat uns gnädigst mit der Anfertigung dieses herrlichen
Juwelenzweiges
beauftragt.
Er
hat uns sogar gnädigst eine feste Anstellung am Hofe
versprochen.
Nun
haben wir gehört, daß die zukünftige Hofdame des Prinzen,
Kaguya
Hime,
sich diesen Zweig gewünscht hätte,
und
so hoffen wir, in diesem Palast unseren
Lohn
erhalten zu können.
„So
lautete der Brief.
Schon
als Kaguya
Hime
die Worte vernommen hatte:
„Wir
verlangen unseren Lohn“, war ihre mit hereinbrechender
Dämmerung
immer mehr verdüsterte Stimmung heller geworden.
Nun
lächelte sie befreit.
Sie
rief dem alten Mann und sagte zu ihm:
„Ich hatte fast
geglaubt, dies sei ein Zweig vom
Berg Pheng
Lai.
Doch alles
ist nur Fälschung.
Bring den
Zweig schnell zurück.
Der alte
Mann antwortete:
„Da wir jetzt
mit Sicherheit wissen, daß er von
Menschenhand
gemacht ist, fällt es mir gar
nicht schwer,
ihn zurückzugeben.
Und
dazu nickte er mit Nachdruck.
Heitere
Ruhe durchströmte Kaguya
Himes
Herz,
und
sie schrieb als Antwort an den Prinzen:
Ist
er echt so suchten Augen und Ohren zu ergründen
doch die
Blätter am Juwelenzweig waren
leere Worte.
Damit
sandte sie den Zweig
zurück.
Der
alteBambussammler schämte
sich sehr, daß er
so
ausdrücklich zugunsten
des
Prinzen gesprochen hatte.
Darum
machte er lieber seine Augen so zu, als ob er schliefe.
Der
Prinz wußte nicht, ob er
stehen
oder sich setzen sollte. Schließlich, als der Tag sich
neigte,
schlich er aus dem Haus.
Kaguya
Hime
ließ die Handwerker rufen, die mit
ihrem
Kummer gekommen waren.
„Ihr
Glückspilze'', sagte sie und überschüttete
sie mit Geschenken.
Die
Handwerker konnten sich vor Freude kaum fassen und riefen:
„Alles
ist so gekommen, wie wir gehofft hatten.“
Doch
als sie auf dem Heimweg waren, ließ Prinz Kuramochi
sie
bis aufs Blut schlagen, und ihnen alles, was sie von
Kaguya
Hime
erhalten hatten, entreißen und wegwerfen.
Sie
flüchteten und verschwanden.
Nun
sagte der Prinz:
„In
meinem ganzen Leben habe ich eine derartige Schmach
nicht
verspürt.
Nicht
nur, daß mir diese Frau entgangen ist!
Die
ganze Welt weiß es und wird darüber reden."
Und
er zog sich in die einsamen Berge zurück.
Seine
Untergebenen und Gefolgsleute suchten überall nach
ihm,
aber sie konnten ihn nicht mehr finden.
Ob er wohl schon tot ist ?