Die flüchtigen
Sterne
In Neuguinea erzählt eine Legende von einer Zeit,
als
die Sterne auf der Erde lebten.
Sie waren scheue Wesen und hielten sich vor den Augen der Menschen
versteckt.
In den tiefsten Dschungeln,
weit
weg von jeder menschlichen Behausung,
fuhren
sie mit Kanus auf Flüssen,
die
von Ästen und Schlingpflanzen überdacht waren.
Sie trugen glitzernden
Schmuck
aus gebogenen
weißen
Eberzähnen
und schimmernden
Muscheln,
und der Lichtschein,
den all diese Schmuckstücke
verbreiteten,
pulsierte
im Einklang mit den beglückenden Gesängen der Sterne.
Eines Nachts
sah ein Reisender,
der sich im Wald
verirrt hatte,
das schimmernde
Licht
und hörte die mysteriöse
Musik.
Von Neugierde getrieben, näherte er sich der Quelle dieser
Wunder
und
spähte durch einen Vorhang von Schlingpflanzen.
Er wurde beinahe geblendet von der herrlichen
Pracht,
die er vor sich auf
dem
Wasser
eines
Flusses
erschaute.
Vielleicht war er habgierig,
vielleicht
sehnte er sich nur danach,
solche
Schönheit in Händen zu halten,
jedenfalls
streckte er seinen Arm aus und berührte eines der Kanus.
Erschrocken
flüchteten die Sterne,
suchten
Zuflucht am Himmel und kehrten nie wieder zurück.
Ihr glorreicher Glanz war immer noch Nacht für Nacht von
der Erde zu sehen,
doch
ihre Lieder bezauberten nie mehr menschliche Ohren.
Als Stern von Himmel
Ihr
sollt nicht um mich weinen,
ich
habe ja gelebt.
Der
Kreis hat sich geschlossen,
der
zur Vollendung strebt.
Glaubt nicht, ich sei gestorben -
dass
wir uns ferne sind.
Es grüßt euch meine Seele
als
Hauch im Sonnenwind.
Und legt der Hauch des Tages
am
Abend sich zu Ruh',
send' ich als Stern
vom Himmel
euch
meine liebe Grüße zu.
Sterne
Selige Sterne schmimmernde Scharen
schweben
so ferne, blinken so schön;
aber
in blauen Nächten, in klaren,
gleiten
sie leise von einsamen Höh'n.
Stürzen von siegender Sehnsucht getrieben,
jäh
durch der Welten unendlichen Raum
nieder
und weben ihr leuchtendes Lieben
ein
in der Blüten zärtlichen Traum.
Doch wenn im Osten der Tag sich rötet,
müssen
zurück sie,
verblichen
und matt
Sahst
du denn niemals noch ein verspätet
Sternlein
hängen am Rosenblatt?
Rainer
Maria Rilke
Fantasia-Märchenträume
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