Willkommen und sei lieb gegrüßt,

                   ich  freue mich, dass Du den Weg
                                           hierher gefunden hast!
    Sicherlich hast Du Dir auch schon immer...
                         so wie ich Gedanken darüber gemacht,
   woher die meisten Tiere und Engel Flügel haben?
 Mache es Dir gemütlich ... ich erzähle es Dir und
    am Ende dieser Geschichte wirst Du wissen woher!

Vor langer, langer Zeit als Gott gerade mit der Schöpfung fertig war,
     aber die Vögel, Insekten und Schmetterlinge noch keine Flügel hatten,
     lebte ein kleiner Junge.
Seine Stubsnase war so rund wie eine Murmel,
     seine Wangen so zart wie Rosenblätter,
     sein Kraushaar so schwarz wie die Nacht und seine

    Augen  so hell wie die Sterne.

Mit einem Korb auf dem Rücken lief er über Berge und Felder,
     durch Wälder und Schluchten,
     an Strassen und Flüssen entlang und sang dabei dieses Lied:

Flügel, Flügel, schöne Flügel

Wer will fliegen?  Holt euch Flügel!
         Ich hab Flügel, schöne Flügel.

Wollt ihr fliegen? Hier sind Flügel

Er war ein Junge wie alle anderen und doch nicht wie die anderen.
    Niemand kannte seinen Namen, niemand wusste woher er kam.
    War er vielleicht früh morgens einem Blütenkelch entsiegen?
    Oder war um Mitternacht auf einem Mondstrahl zur Erde geglitten?
    Oder vielleicht bemerkte Gott, dass er vergessen hatte,
    Flügel zu verteilen und entsandte den kleinen Jungen,

    seine Schöpfung zu vollenden. 

Er trug einen Korb auf dem Rücken, der niemals leer wurde,
    genau wie der Sack des Sankt Nikolaus.
    In diesem Korb waren aber keine Spielsachen,
    sondern er war voller Flügel jeder erdenklichen Art:

Spitze, scherenförmige Flügel  für die Schwalben,
  weisse, flaumige Flügel für die Tauben,
  zart schimmernde Flügel für die Libellen,
  winzige, hauchdünne Flügel für die Mücken,

     hölzerne Flügel für die Windmühlen. 

Der kleine Junge verteilte seine Flügel überall.
     Er gab sie allen, die fliegen wollten:
     Adlern und Kolibris, Marienkäfern und Geiern,
     Papageien und Spatzen.
     Und während er mit seinem Korb voller Flügel

   immer weiter wanderte, 
   sang er auch immer wieder sein kleines Lied

                   Flügel, Flügel, schöne Flügel
                  Wer will fliegen? Holt euch Flügel!
                   Ich hab Flügel, schöne Flügel
                  Wollt ihr fliegen?

Hier sind Flügel! 

Er war ein richtiger Flügelhändler, und doch kein Händler wie die anderen.
    Nie verlangte er er etwas für seine Flügel.
    Jeder bedankte sich so, wie er konnte:
    Die Nachtigall erfand eine neue Melodie.
    Der Spatz, der nicht singen konnte, drehte sein Köpfchen leicht zur Seite
    und nickte ein paarmal besonders freundlich.
    Die Amsel zwitscherte ihm ein fröhliches Lied.
    Der Storch nahm ihn mit auf einen abendteuerlichen Flug hoch über die

    Wolken hinaus bis in die Nähe der Sonne. 

Der Dompfaff zwinkerte ihm zu, und die Eule rief:

                           Uhuu  Uhuu!“

Das Marienkäferchen brachte ihn zum Lachen,
  indem es mitten auf seiner runden Stupsnase landete und ihn
  mit seinen winzigen Füßchen kitzelte – und
 „bsst“, schon war es wieder weg.
  Der Papagei,  der sprechen konnt, sagte: „Ich dank dir, sie passen!“
  Die Fliege summte glücklich um ihn herum, bevor sie auf und davon flog.
  Der Täuberich, der sich freute, dass er den Taubendamen imponieren konnte,
  plusterte stolz seine Flügel und gurrte „Dankeschön“.
  Bald hatten alle Vögel und Insekten rund um die Erde ihre eigenen Flügel,

  und mit denen fliegen sie heute noch. 

Eines Tages, müde vom vielen wandern,
   setzte sich der kleine Flügelhändler neben eine alte,
   verlassene Windmühle. Ihre Flügel waren zerbrochen
   und konnten sich schon lange nicht mehr im

                                     Winde  drehn.

  Einsam und traurig stand sie auf einem kleinem Berg.
  Manchmal weinte sie.

  „Komm herein, komm in meine Tenne und ruh dich aus,“
    sagte sie zu dem kleinen Flügelhändler.
  „Sie ist staubig, aber sie ist warm, und wenn du bei mir bist,
    bin ich nicht so einsam.“

Der kleine Flügelhändler legte sich in der Tenne auf ein Bündel
     Stroh und schlief die ganze Nacht.
     Am nächsten Morgen schenkte er der kleinen Windmühle zum Dank

                                                            vier Flügel:

     einen blauen, einen roten, und einen grünen und einen gelben Flügel.

 Überglücklich begann sie ihr Rad zu drehen, zuerst langsam und dann
 schneller und schneller wie früher, vor langer, schon fast vergessener Zeit.

Ein Müller auf einem Weizenfeld sah es von weitem,
    packte seine Garben und rannte zur Windmühle hinauf.
    Und der kleine Flügelhändler wanderte weiter.
    Als er am Fuß des Berges ankam, drehte er sich noch einmal um und rief:

         Auf Wiedersehn, kleine Windmühle!
         Mahle dein Korn, kleine Windmühle
         Mahle, mahle, mahl es fein!

Aber das viele Wandern machte den kleinen Flügelhändler müde
   und müder.
   Eines Abends stellte er seinen Korb

    unter eine große Eiche   und schlief sofort ein.

Während der Nacht kam ein mächtiger Sturm.
     Es war ein gehässiger Wind, der die Lüfte allein beherrschen wollte,
     er war schon lange eifersüchtig auf die vielen Flügel, die der kleine
     Junge verteilte.
     Als er den Korb sah, wirbelte  er ihn mit seiner ganzen Kraft so lange
     durch die Luft, bis er mit allen Flügeln im Meer versank.
     Seit diesem Tag haben die Wellen bei hohem Seegang weiße Kronen.
     Das sind die Flügel, die sich aus dem Wasser befreien und
     wegfliegen möchten.

Als der kleine Flügelhändler am nächsten Morgen aufwachte,
    suchte er verzweifelt nach seinem Korb!
    Bitterlich weinend wanderte er ziellos umher und dachte an all
    die Vögel und Insekten,
    denen er nie mehr würde Flügel schenken können.

    Ganz erschöpft setzte er sich letztendlich mitten in ein Feld

            voller  Mohnblumen.

Eine kleine schwarze Raupe sah ihn dort und war so bewegt von seinem
   Kummer, dass sie ihn zu trösten versuchte:
 „Sei nicht traurig, denk nicht an die Flügel, die du verloren hast!

Denk an all die Vögel und Insekten, 
    die dank dir jetzt fliegen  können! 
    Bitte, mir zuliebe, weine nicht mehr!
    Schau mich an, schau wie hässlich ich bin,
    und ich weine trotzdem nicht!

 „Wie freundlich du bist, Raupe,“ antwortete der kleine Flügelhändler,
 „dir zuliebe will ich nicht mehr weinen.
Oh, wenn ich doch bloß noch ein Paar Flügel für dich hätte!
    Die schönsten Flügel würde ich dir schenken –
    Flügel so schön wie eine blühende Blume.“

Da flüsterte eine Mohnblume, die mitgehört hatte:
                “Pflück mich, kleiner Junge.

    Nimm meine Blütenblätter, sie werden perfekte Flügel
    für deine Raupe sein!
    Der kleine Flügelhändler strahlte und nahm sorgfälltig
   zwei Blütenblätter von der Mohnblume. 
   Er legte sie auf den Rücken der schwarzen Raupe und schon
   flatterte sie dankend vor ihm und flog dann weiter von Blume zu Blume.
   So wurde die kleine hässliche Raupe zum ersten Schmetterling –
   zauberhaft schön,
   wie eine blühende Blume!

Noch am selben Abend legte sich der müde kleine Flügelhändler
   neben einen Bach und fiel sofort in einen tiefen Schlaf.

             Er schlief und schlief. 

  Tausende von Vögeln, Libellen und Schmetterlinge setzten sich zu ihm

  und warteten bis er aufgewachen würde.

Die Nachtigall sang ihre schönste Melodie.
    Die Amsel zwitscherte fröhliche Lieder.
    Der Papagei redete auf ihn ein.
    Das kleine Marienkäferchen kitzelte seine Stubsnase.
    Die Eule rief: Uhuu“.
    Doch was immer sie auch taten,
    der kleine Flügelhändler schlief weiter.

Auf einmal fand eine neugierige Elster in seiner Hosentasche

                               zwei   kleine,

  weiße Flügel,  die er dort aufbewahrt und vergessen hatte
  und die vom gehässigen Wind nicht gefunden
  und weggetragen wurden.

  Jetzt waren es die Vögel, die dem schlafenden Jungen Flügel
  auf den Rücken legten.

            Da rührte er sich.
Mit einem leichten Flügelschlag schwang er sich,
    von seinen Freunden, den Vögeln, begleitet, in die Lüfte
    und stieg gegen den Himmel empor.

    Als Gott hoch oben durch eine sonnenbeschienene Wolke den
    kleinen Flügelhändler auf sich zufliegen sah,

 entschied er sich, auch noch Engel Zurück zum Märchenbuch-02 zu erschaffen.
 
 

*und solch einen wie mich* lächel ja auch nur kleinwenig*
 
 

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