Das verlorene Lächeln



Als ich heut in heiteren Träumen
durch die kalte Herbstwelt zog,
sah ich, wie in kahlen Bäumen
ein verlorenes Lächeln flog.

Voller Wehmut war es, trauernd,
halb erfroren, todesmatt,
und ich fragte es bedauernd,
wer es wohl verloren hat?

Und es flüstert: Wie Sie sehen,
ohne Bleibe ganz und gar,
muß ich sterben und vergehen,
find ich nicht ein Lippenpaar.

Und ich rief's zu mir hernieder,
und ich brachte dir den Fund.
Neu erblühen sah ich's wieder
heute Nacht auf deinem Mund.



Was sollen wir tun


Wie hat es nur angefangen?
Wir haben uns kaum gekannt.
Wir sind in die Falle gegangen
wie Kinder, Hand in Hand.

Wir stiegen bei günstigen Winden
ins Boot, das „Liebe“ hieß.
Wir wollten zu Zweit etwas finden,
ich glaube – das Paradies...

Das Schiff ist leider gestrandet,
ich kann dir nicht sagen wieso.
Nun sind wir woanders gelandet,
der Teufel mag wissen, wo.

Nun sitzen wir Stunden um Stunden
und gehen mit uns ins Gericht.
Wir schlagen uns tödliche Wunden
und tun so, als fühlten wir’s nicht.

Wir wollten uns Sonne geben
und stehen uns nur im Licht.
Wir können zusammen nicht leben,
doch ohne dich lebe ich nicht.

Wir können einander nicht retten,
denn wenn sich der eine nur rührt,
dann schmerzen den andern die Ketten:
Das Herz wird ihm abgeschnürt.

Ich möchte dich gerne beschützen
vor mir und dem Schmerz, der ich bin.
Ich möcht mich zu dir flüchten,
ich habe sonst niemand, wohin.

Ich möchte mich dir überlassen,
um einmal nur auszuruhn
von all diesem Lieben und Hassen –
sag mir, was sollen wir tun?

Mein Liebes, was sollen wir tun?



Der Traum vom Fliegen



... und wenn du es wieder mal müde bist,
wie eng und begrenzt dein Leben ist,
und die ganze Erde erscheint dir fast
umsponnen von einem grauen Netz,
in dem du dich hilflos verfangen hast.

Ein Netz aus Gewohnheit, Gewalt und Gesetz,
ein Netz aus Grenzen von Staat zu Staat,
Grenzen aus Dummheit und Stacheldraht,
Grenzen des Geldes, begrenzte Zeit!

Und die Grenzen der eigenen Fähigkeit...!

Und wenn du dich wieder mal wund gestoßen
an den Gitterstäben, den kleinen und großen,
und du weißt genau:
Du kommst nie mehr vom Flecke,

du bleibst gefangen im engen Raum,
dann hockst du dich nieder in deiner Ecke
und träumst den alten Traum:



Da breitest du weit deine Arme aus
und ein tiefer Atemzug!
Du schwingst dich empor über Straße und Haus
im traumhaften Vogelflug.

Du fliegst und du fliegst und du brauchst kein Ziel,
das dasein selbst ist Glück!
Keine Grenze dort unten bekümmert dich viel,
du möchtest nie zurück.

Es ist alles so einfach.
Du wunderst dich kaum.
Und du weißt dein Traum: Es ist kein Traum!

Und du fragst dich, warum man es je vergisst,
warum man nicht glaubt daran,
dass man immer so frei wie ein Vogel ist
und in Wahrheit fliegen kann.



Die Papier Tragödie


Es war ein Mädchen aus Papier,
ganz weiß und zum Verlieben.
Es hatte keiner noch auf ihr
das kleinste Wort geschrieben.

Das gibt es, glaubt es mir!
Sie war nur aus Papier.
Das gibt es, glaubt es mir!

Da kam ein Junge aus Papier,
ein brauner, weit gereister,
ganz voll Adressen dort und hier,
gestempelt und voll Kleister.

Verzeiht ihm das Geschmier,
er war aus Packpapier.
Verzeiht ihm das Geschmier!

Auch Liebespaare aus Papier,
die können wahrhaft lieben.
Sie hat auf ihm, er hat auf ihr
mit eigener Hand geschrieben:

Mein Herz gehört nur dir,
bin ich auch aus Papier.
Mein Herz gehört nur dir!“

Doch eines Tages das Unheil naht,
sie litten unaussprechlich:
Ihn rief ein ferner Adressat
und auf ihm stand zerbrechlich!

Ich kehr zurück zu dir,
mein Mädchen aus Papier!
Ich kehr zurück zu dir!



Nun wartet sie jahrelang
und wurde langsam gelber.
Und war ihr einmal gar zu bang,
dann las sie auf sich selber:

Mein Herz gehört nur dir,
bin ich auch aus Papier!
Mein Herz gehört nur dir!“

Ein Greis aus einem Zeitungsblatt,
zerknittert und voll Lügen,
der schrecklich viel Papiergeld hatt‘,
der wollt sie zum Vergnügen.

Sie widerstand der Gier
und war nur aus Papier.
Sie widerstand der Gier!

Das nahm der Alte ihr sehr krumm,
und voller böser Tücke
mit einer Scher‘ brachte er sie um
und schnitt sie in zwei Stücke.

Worüber lächelt ihr?
Ihr seid nicht aus Papier,
worüber lächelt ihr?

Und als der Liebste aus Papier
zurückkam wie versprochen,
da fand er sie und stand vor ihr
und hat kein Wort gesprochen,
weint keine Träne ihr.
Er war nur aus Papier,
weint keine Träne ihr.

So stand er, bis es dunkel war
sein Herz fing an zu brennen.
Und er verbannte ganz und gar
und war nicht mehr zu kennen.

Dies schwarze Flöckchen hier
war Liebe und Papier.


Dies schwarze Flöckchen hier!
 

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© Copyright 1999 - 2015 - 70 Jahre nach meinem Tod zu Bildergrafiken  - Text - by Chr. Vivien