Der
Astralschweif
Lindus Astralschleier
Die Barden von Estland
erzählten einst eine traurige Geschichte
von einer Göttin
namens Lindu, Tochter des Uko, der als König im Himmel herrschte.
Lindu war selbst eine
Herrscherin – die Königin der
Vögel.
Sie lebte an den Gestaden
der Ostsee inmitten ihrer
geflügelten Untertanen.
Zu jeder Jahreszeit wußte
sie, wo jeder einzelne Vogel hingehörte,
und sorgte dafür,
daß sie sich alle bei ihren Zügen über den Himmel
an die richtigen Wege
hielten.
Viele Freier kamen vom
Himmel zu ihr herab und hielten um ihre Hand an.
Lindu wies die Sonne und den
Mond ab, denn sie fand
beide allzu berechenbar;
jeden Tag vollführten
sie den gleichen Lauf über dem Himmel.
Den Polarstern
erhörte sie nicht,
weil
er ihr zu unbeweglich war,
denn er verließ
nie seinen Platz am Himmel.
Als ihr jedoch das Nordlicht
den Hof machte,
war sie so entzückt
von seiner Pracht,
daß sie sich augenblicklich
verliebte.
Das Nordlicht konnte jedoch
die Helligkeit des Tages nicht lange ertragen,
und so kehrte es nach
seiner Verlobung ins Mitternachtsland zurück
und versprach, zur Hochzeit
zurückzukehren.
Lindu bereitete sich frohen
Herzens auf ihre Vermählung vor,
doch das Nordlicht erwies
sich als ebenso wankelmütig wie schön.
Es kam nie wieder.
Tag für Tag wurde
Lindu trauriger, bis ihr Hochzeitskleid ganz von Tränen durchtränkt
war.
Sie weinte auf den Wiesen,
ohne auf die Vögel zu achten,
die sich um sie versammelten.
Uko der Himmelskönig,
sah von seinem himmlichen Palast herab,
wie seine Tochter von
Hoffnung und Traurigkeit befallen war.
Dies schmerzte ihn in
seinem Herzen sehr.
Somit befahl er den Winden,
sie von der Erde zu holen
und sie eilendest zu ihm zu bringen.
Als sie im Himmel angekommen
war, wehte ihr Brautschleier hinter ihr her,
und seine Fäden
verwandelten sich in
Millionen glitzernden
Sternchen,
deren Licht
den nächtlichen Pfad
bildete,
seitdem nennt man ihn
die Milchstrasse.
Lindu wachte weiterhin
über die Zugvögel, erzählten sich die Barden.
An einem Winterabend erhaschte
sie bisweilen einen Blick
auf das unstete Nordlicht,
doch sie hatte ihren
alten Kummer vergessen
und wunderte sich,
daß sie den unzuverlässigen
Gesellen je hatte lieben können.
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Bildergrafiken 1999 - 2009 by Chr.
Vivien