Er
nahm es auf und trug es nach Hause.
Dort
rief er seiner Frau und bat sie, sich des Kindes anzunehmen.
Das
Mädchen, ganz winzig und unendlich anmutig,
wurde
in einen Bambuskorb gelegt.
Seitdem
das Findelkind bei ihm war, entdeckte der Bambussammler beim
fällen
der Bäume immer wieder im Holz Stücke puren Goldes.
So
wurde der alte Mann bald reich.
Unterdessen
wuchs das Mädchen schnell heran.
Schon
nach drei Monaten war es so weit gewachsen,
daß
die Zeit für die feierliche Änderung ihrer Haartracht gekommen
schien.
Man
legte ihr die Kleider an, die einer jungen Dame zustehen.
Das
Mädchen wurde zu Hause umsorgt und umhegt.
Ihre
Schönheit und ihre Anmut hatten in der Welt nicht ihresgleichen.
Das
Haus war davon geradezu erleuchtet bis in die dunkelsten Ecken.
Der
alte Mann fühlte, wie seine Sorgen verblaßten, wie sein Unmut
verflog,
sobald
er sein Kind anschaute.
Noch
lange sammelte der alte Mann im Wald Bambus,
gewann
an Reichtum und Ansehen.
Als
das Mädchen voll erwachsen war, wurde ein Priester herbeigerufen,
um
die Feier der Namensgebung zu vollziehen.
Er
gab dem Kind den Namen
Nayotake
no Kaguya
Hime:
Strahlende
Prinzessin vom biegsamen Bambus.
Das
Fest - mit reichen Speisen, Musik und vielfältigen
Spielen dauerte drei Tage.
Es
waren Gäste aus allen Ständen eingeladen
und
alle vergnügten sich sehr.
Nach
dem Fest kamen von weit her adelige Herren und einfache Leute,
die
von Kaguya
Himes
Schönheit gehört hatten,
die
sie im Stillen bewunderten und sich Hoffnungen machten,
sie
zu erobern oder doch
zumindest
einmal zu sehen.
Die
Verehrer kamen an den Zaun und an das Eingangstor.
Obwohl
sogar die Haus-Bediensteten Kaguya Hime
nicht leicht zu Gesicht
bekamen,
warteten die Verehrer draußen.
Sie
verzichteten auf Schlaf und mühten sich noch in der dunkelsten Nacht,
sie
zu sehen, durch einen Spalt im Zaun,
wenigstens
flüchtig.
So
hofften sie einen Blick zu erhaschen - sie seufzten
aus Leidenschaft.
Einige
versuchten es von den ungewöhnlichsten Stellen aus,
aber
sie hatten keinen Erfolg. Andere machten sich an Kaguya
Himes
Bedienstete
heran, aber sie erhielten
keine
Auskunft.
Trotz
alledem gab es eine Reihe adeliger Herren, die Tag und Nacht
in
der Nähe des Hauses ausharrten.
Die
jenigen, die es nicht so ernst meinten, sagten
"Umsonst
zu kommen hat keinen Zweck',
und
blieben weg.
Unter
den Verehrern waren fünf adelige Herren, die in dem Rufe standen,
in
der Liebe außerordentlich erfahren zu sein.
Diese dachten Tag und Nacht an Nayotake no Kaguya Hime
und kamen
immer
wieder.
Es waren:
der Prinz Ishitsukuri,
der Prinz Kuramochi,
der Minister
zur Rechten Abe no Mimuraji,
der Oberste Ratgeber
Ootomo no Miyuki,
und der Mittlere
Ratgeber Isonokami no Marotari.
Diese
Herren waren bekannt dafür, daß sie alle Frauen umschwärmten,
die
nur ein bißchen hübscher waren als üblich, und das sind
nicht wenige.
Natürlich
brannten sie darauf, Kaguya
Hime
zu sehen.
Ohne
zu essen, nur von ihrem Verlangen beseelt, standen und gingen sie
um das Haus herum. Aber alles
blieb erfolglos.
Sie schrieben Liebesbriefe
an Kaguya
Hime,
aber das Mädchen
antwortete nicht.
Sie schickten
wehklagende Gedichte, aber auch damit hatten
sie bei ihr keinen
Erfolg.
Obwohl sie einsehen
mußten, wie sinnlos es war, was sie taten,
kamen sie selbst
im Frostmonat, im Schnee- und Eismonat und im
Hochsommer mit seiner glühenden Hitze.
und seinen Gewitterstürmen.
Es
kam vor, daß einer um den anderen den Bambussammler
herausbat
und mit den Worten "Gib mir deine Tochter" Hände
ringend
vor ihm niederfiel.
Doch
der Bambussammler antwortete jedesmal:
"Sie
ist nicht mein leibliches Kind und folgt meiner Weisung nicht.
So
vergingen Tage und Monate. Ihren Träumen nachhängend,
gingen
die Freier nach Hause. Sie beteten zu den Göttern um Erlösung
von
ihrer Leidenschaft, doch auch das half ihnen wenig.
Sie
dachten bei sich: "Was der alte Mann auch immer sagen mag
es
ist undenkbar, daß er nicht letzten Endes doch einen Mann zu ihr
herein
läßt., deswegen hofften sie immer weiter und erzählten
aller Welt
von
ihrem Liebeskummer.
Da
sagte der alte Mann zu Kaguya
Hime:
"Mein
teures Kind, wenngleich du ein überirdisches Wesen in menschlicher
Gestalt
bist, so habe ich dich doch mit einer Hingabe großgezogen,
die
du kaum ermessen kannst. Bitte höre zu, was ein alter Mann
dir
zu sagen hat!
"Kaguya
Hime
antwortete:
"Gibt
es etwas, das du sagst und dem ich nicht zuhöre?
Du
sagst, daß ich ein überirdisches Wesen in menschlicher Gestalt
sei.
Ich
wußte nicht, daß ich das bin.
Für
mich bist du mein Vater."
Der alte Mann sagte:
"Ah,
wie froh macht es mich, das von dir zu hören!
Ich
alter Mann bin jetzt über siebzig Jahre alt und wer weiß,
ob
heute oder morgen ... noch für dich sorgen kann ?
In
dieser Welt tut sich der Mann mit der Frau zusammen, und die Frau tut
sich
mit dem Mann zusammen. Daraus erwächst eine Familie.
So
ist das nun einmal.
Kaguya Hime
fragte:
"Und
weshalb soll ich es tun?"
Da sagte der alte Mann zu ihr:
"Wenn
du auch ein überirdisches Wesen bist, so hast du doch
den
Körper einer Frau. Nur solange ich noch da bin, bist du beschützt
wie jetzt.
Bedenke
bitte, daß jene Herren schon Monate und Jahre um dich werben.
Bitte
nimm dir einen.,
Darauf
antwortete Kaguya
Hime:
"Meine
Schönheit ist nicht so groß, daß ich immer begehrenswert
erscheinen
werde. Wie kann ich mich so einfach entscheiden, wenn ich
einen
Menschen nicht wirklich kenne ? Später ändern sich vielleicht
seine
Gefühle
- und dann ist die Enttäuschung groß.
Wenn
auch diese Herren von edler Abstammung sind, so fällt mir die Wahl
doch
schwer, solange ich nicht weiß, was sie in ihren Herzen bewegen."
Der alte Mann rief: "Oh, du sprichst genau aus, was ich denke.
Sag
mir, wie soll das Herz des Mannes sein, den du dir wünschst?
Mir
erscheinen alle Freier
ausgezeichnet."
Kaguya
Hime
antwortete:
"Wieviel
Herzensgüte kann ich von einem Menschen erwarten?
Ein
wenig reicht mir schon. Doch da ich keinen Unterschied sehe,
wie
kann ich da die Bewerber
einstufen? " Und sie fuhr fort:
"Bitte
sage ihnen, ich würde dem gehören, der mir bringt,
was
ich von ihm verlange. Das soll ein Maß für die Tiefe seiner
Gefühle sein."
"Das
ist ein guter Gedanke',, sagte der alte Mann zustimmend.
Zur
Stunde des Sonnenuntergangs versammelten sich wie üblich
die
edlen Herren. Einer spielte Flöte, einer trug Gedichte vor,
einer
sang Melodien, einer pfiff dazu und einer
schlug
den Takt mit seinem Fächer.
Da
trat der alte Mann heraus
und sagte:
"Es
ist eine beispiellose Ehre, daß Ihr Monate und Jahre hindurch diesen
niederen
Ort
besucht. Ich habe zu meiner Tochter gesagt:
ich
bin ein alter Mann, und mein Leben kann heute oder morgen
zu
Ende gehen. Deshalb mißachte nicht die Anträge dieser Herren
und
entscheide
dich für einen.
"
Sie hat darauf geantwortet:
Es
gibt keinen Unterschied zwischen ihnen. Daher fällt mir die Wahl schwer.
Wenn
mir aber jemand das bringt, was ich von ihm verlange,
kann
ich vielleicht die Tiefe seiner Zuneigung erkennen.
Ob
ich mich einem ergebe, soll so entschieden werden.
Da habe ich gesagt, das sei ein guter Gedanke,