Das Mädchen

      aus dem  Bambuswald


  

Vor langer Zeit gab es einmal einen alten Bambussammler,

der tief aus dem Wald  Bambusholz holte,
aus dem er zu Hause nützliche Gegenstände anzufertigen wußte.
Eines Tages sah er im Wald einen Bambusstumpf, der seltsam leuchtete.

Er näherte sich verwundert und bemerkte, daß das Licht aus dem
hohlen Inneren kam. Ein Mädchen lag darin, kaum eine Spanne groß
und zauberhaft anzuschauen.
Der alte Mann sagte zu sich:
"Dieses Mädchen sitzt in einem Wurzelstock,

an dem ich Tag für Tag morgens und abends vorbeigehe -
darum habe ich es entdeckt. Es ist mir sicher zum Kinde bestimmt."

Er nahm es auf und trug es nach Hause.
Dort rief er seiner Frau und bat sie, sich des Kindes anzunehmen.
Das Mädchen, ganz winzig und unendlich anmutig,
wurde in einen Bambuskorb gelegt.

Seitdem das Findelkind bei ihm war, entdeckte der Bambussammler beim
fällen der Bäume immer wieder im Holz Stücke puren Goldes.

So wurde der alte Mann bald reich. 

Unterdessen wuchs das Mädchen schnell heran.
Schon nach drei Monaten war es so weit gewachsen,
daß die Zeit für die feierliche Änderung ihrer Haartracht gekommen schien.
Man legte ihr die Kleider an, die einer jungen Dame zustehen.

Das Mädchen wurde zu Hause umsorgt und umhegt. 
Ihre Schönheit und ihre Anmut hatten in der Welt nicht ihresgleichen.
Das Haus war davon geradezu erleuchtet bis in die dunkelsten Ecken.
Der alte Mann fühlte, wie seine Sorgen verblaßten, wie sein Unmut verflog,

sobald er sein Kind anschaute. 

Noch lange sammelte der alte Mann im Wald Bambus,
gewann an Reichtum und Ansehen.

Als das Mädchen voll erwachsen war, wurde ein Priester herbeigerufen,
um die Feier der Namensgebung zu vollziehen.

                                                                 Er gab dem Kind den Namen
Nayotake no Kaguya Hime:
Strahlende Prinzessin vom biegsamen Bambus.

Das Fest - mit reichen Speisen, Musik und vielfältigen Spielen dauerte drei Tage.
Es waren Gäste aus allen Ständen eingeladen
und alle vergnügten sich sehr.

Nach dem Fest kamen von weit her adelige Herren und einfache Leute,

die von Kaguya Himes Schönheit gehört hatten,


die sie im Stillen bewunderten und sich Hoffnungen machten,
sie zu erobern oder doch

zumindest einmal zu sehen. 
Die Verehrer kamen an den Zaun und an das Eingangstor.
Obwohl sogar die Haus-Bediensteten Kaguya Hime nicht leicht zu Gesicht
bekamen, warteten die Verehrer draußen.

Sie verzichteten auf Schlaf und mühten sich noch in der dunkelsten Nacht,
sie zu sehen, durch einen Spalt im Zaun,

wenigstens flüchtig. 
So hofften sie einen Blick zu erhaschen - sie seufzten aus Leidenschaft.

Einige versuchten es von den ungewöhnlichsten Stellen aus,
aber sie hatten keinen Erfolg. Andere machten sich an Kaguya Himes

Bedienstete heran, aber sie erhielten
keine Auskunft.

Trotz alledem gab es eine Reihe adeliger Herren, die Tag und Nacht

in der Nähe des Hauses ausharrten.

Die jenigen, die es nicht so ernst meinten,  sagten

"Umsonst zu kommen hat keinen Zweck',
und blieben weg.
Unter den Verehrern waren fünf adelige Herren, die in dem Rufe standen,
in der Liebe außerordentlich erfahren zu sein.

Diese dachten Tag und Nacht an Nayotake no Kaguya Hime und kamen
immer wieder.

Es waren:

der Prinz Ishitsukuri,
der Prinz Kuramochi,
der Minister zur Rechten Abe no Mimuraji,
der Oberste Ratgeber Ootomo no Miyuki,
und der Mittlere Ratgeber Isonokami no Marotari.

Diese  Herren waren bekannt dafür, daß sie alle Frauen umschwärmten,
die nur ein bißchen hübscher waren als üblich, und das sind nicht  wenige.
Natürlich brannten sie darauf, Kaguya Hime zu sehen.
Ohne zu essen, nur von ihrem Verlangen beseelt, standen und gingen sie

um das Haus herum. Aber alles blieb erfolglos.

Sie schrieben Liebesbriefe an Kaguya Hime,
aber das Mädchen antwortete nicht.
Sie schickten wehklagende Gedichte, aber auch damit hatten
sie bei ihr keinen Erfolg.
Obwohl sie einsehen mußten, wie sinnlos es war, was sie taten,
kamen sie selbst im Frostmonat, im Schnee- und Eismonat und im

Hochsommer mit seiner glühenden Hitze.
und seinen Gewitterstürmen.

Es kam vor, daß einer um den anderen den Bambussammler
herausbat und mit den Worten "Gib mir deine Tochter" Hände

ringend vor ihm niederfiel.
Doch der Bambussammler antwortete jedesmal:
"Sie ist nicht mein leibliches Kind und folgt meiner Weisung nicht.

So vergingen Tage und Monate. Ihren Träumen nachhängend,
gingen die Freier nach Hause. Sie beteten zu den Göttern um Erlösung
von ihrer Leidenschaft, doch auch das half ihnen wenig.
Sie dachten bei sich: "Was der alte Mann auch immer sagen mag
es ist undenkbar, daß er nicht letzten Endes doch einen Mann zu ihr
herein läßt., deswegen hofften sie immer weiter und erzählten aller Welt
von ihrem Liebeskummer.

Da sagte der alte Mann zu Kaguya Hime:

"Mein teures Kind, wenngleich du ein überirdisches Wesen in menschlicher
Gestalt bist,  so habe ich dich doch mit einer Hingabe großgezogen,
die du kaum ermessen kannst. Bitte höre zu, was ein alter Mann
dir zu sagen hat!

"Kaguya Hime antwortete:
"Gibt es etwas, das du sagst und dem ich nicht zuhöre?
Du sagst, daß ich ein überirdisches Wesen in menschlicher Gestalt sei.
Ich wußte nicht, daß ich das bin.
Für mich bist du mein Vater."

Der alte Mann sagte:
"Ah, wie froh macht es mich, das von dir zu hören!
Ich alter Mann bin jetzt über siebzig Jahre alt und wer weiß,
ob heute oder morgen ... noch für dich sorgen kann ?

In dieser Welt tut sich der Mann mit der Frau zusammen, und die Frau tut
sich mit dem Mann zusammen. Daraus erwächst eine Familie.
So ist das nun einmal.
Kaguya Hime fragte:
"Und weshalb soll ich es tun?"

Da sagte der alte Mann zu ihr:
"Wenn du auch ein überirdisches Wesen bist, so hast du doch
den Körper einer Frau. Nur solange ich noch da bin, bist du beschützt wie jetzt.
Bedenke bitte, daß jene Herren schon Monate und Jahre um dich werben.
Bitte nimm dir einen.,
Darauf antwortete Kaguya Hime:
"Meine Schönheit ist nicht so groß, daß ich immer begehrenswert
erscheinen werde. Wie kann ich mich so einfach entscheiden, wenn ich
einen Menschen nicht wirklich kenne ? Später ändern sich vielleicht seine
Gefühle - und dann ist die Enttäuschung groß.
Wenn auch diese Herren von edler Abstammung sind, so fällt mir die Wahl
doch schwer, solange ich nicht weiß, was sie in ihren Herzen bewegen."

Der alte Mann rief: "Oh, du sprichst genau aus, was ich denke.
Sag mir, wie soll das Herz des Mannes sein, den du dir wünschst?

Mir erscheinen alle  Freier ausgezeichnet."
Kaguya Hime antwortete:
"Wieviel Herzensgüte kann ich von einem Menschen erwarten?

Ein wenig reicht mir schon. Doch da ich keinen Unterschied sehe,

wie kann ich da die  Bewerber einstufen? " Und sie fuhr fort:
"Bitte sage ihnen, ich würde dem gehören, der mir bringt,
was ich von ihm verlange. Das soll ein Maß für die Tiefe seiner Gefühle sein."

"Das ist ein guter Gedanke',, sagte der alte Mann zustimmend.

Zur Stunde des Sonnenuntergangs versammelten sich wie üblich

die  edlen Herren. Einer spielte Flöte, einer trug Gedichte vor,

einer sang Melodien, einer pfiff dazu und einer
schlug den Takt mit seinem Fächer.

Da trat  der alte Mann heraus und sagte:

"Es ist eine beispiellose Ehre, daß Ihr Monate und Jahre hindurch diesen
niederen Ort besucht. Ich habe zu meiner Tochter gesagt:

ich bin ein alter Mann, und mein Leben kann heute oder morgen
zu Ende gehen. Deshalb mißachte nicht die Anträge dieser Herren und
entscheide dich für einen.
" Sie hat darauf geantwortet:
Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen. Daher fällt mir die Wahl schwer.

Wenn mir aber jemand das bringt, was ich von ihm verlange,
kann ich vielleicht die Tiefe seiner Zuneigung erkennen.
Ob ich mich einem ergebe, soll so entschieden werden.

Da habe ich gesagt, das sei ein guter Gedanke,

und niemand könne es ihr verübeln. 

* Zurück zum Märchenbuch *

Wie es weiter geht mit dem Wesen aus der Anderwelt,

das dürft ihr im

Band ich bin die Zahl Zwei und führe dich zu Band Zwei lesen von


 


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 Liebe Träumerli beim lesen  wünscht euch eure * Zurück in deine ... unsere Welt * !!! Vivien
 


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